
Vertikalisierung - Neue Horizonte für den Einzelhandel?

Die Dynamik im Einzelhandel ist geprägt von wachsenden Herausforderungen: Volatile Kosten, gestiegene Wettbewerbsintensität und zunehmende Unsicherheiten entlang der Lieferketten. Vor diesem Hintergrund rückt das Thema Vertikalisierung stärker in den Fokus von Handelsunternehmen – nicht als Modetrend, sondern als strategische Notwendigkeit.
Vielschichtige Treiber der Vertikalisierung
Die Gründe für eine stärkere vertikale Integration im Handel sind heute komplexer denn je. Unternehmen sehen sich mit einer Vielzahl an Einflussfaktoren konfrontiert, die Vertikalisierung zu einem attraktiven Hebel machen:
- Hohe und volatile Kosten in der Wertschöpfungskette
- Steigende Wettbewerbsintensität und härtere Verhandlungen
- Komplexität, Unsicherheit und Transparenzanforderungen in Lieferketten
- Wachsender Know-how- und Innovationsdruck
Vor dem Hintergrund steigender externer Anforderungen, stellt eine vertiefte Vertikalisierung einen wirkungsvollen strategischen Hebel zur Bewältigung zentraler Herausforderungen im Handel dar. Vertikalisierung führt zu einer…
- sichereren Warenverfügbarkeit: Durch eine engere Kontrolle über vorgelagerte Produktions- und Beschaffungsprozesse, lässt sich die kurzfristige Warenversorgung absichern und die langfristige Mengensicherung besser planen.
- stabilen Qualität und Marge: Eigene Produktions- oder Beschaffungsstufen ermöglichen eine gezielte Qualitätssicherung und tragen zur Stabilisierung der Handelsspanne bei.
- erhöhten Unabhängigkeit und Verhandlungsmacht: Die Reduzierung der Abhängigkeit von externen Lieferanten stärkt die Position in Preis- und Vertragsverhandlungen.
- stärkeren Förderung von Innovation und Exklusivität: Vertikal integrierte Strukturen schaffen Raum für eigenständige Produktentwicklungen und exklusive Angebote, die Differenzierung im Markt ermöglichen.
- ausgeprägteren Warenkompetenz und Transparenz: Direkter Zugriff auf vorgelagerte Wertschöpfungsstufen erhöht das Produkt-Know-how und verbessert die Transparenz entlang der Lieferkette.
- tiefergreifenden Nachhaltigkeit und Effizienz: Die eigene Steuerung von Prozessen erlaubt eine gezielte Optimierung in Richtung ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit sowie das Potenzial zu einer erhöhten Prozess-Effizienz.

Vertikalisierungsoptionen: Von punktuell bis tief integriert
Für Handelsunternehmen eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten, das eigene Geschäftsmodell vertikal zu erweitern – von Einzelverträgen mit Dritten bis hin zur Komplettintegration. Jede Option unterscheidet sich hinsichtlich Tiefe, Komplexität sowie erwartbarem Nutzen und Kosten:
- Eine Komplettintegration bietet maximale Kontrolle über Qualität, Marge, Transparenz, Prozesse und Innovation, ist jedoch mit hohen Investitionen verbunden.
- Unternehmensbeteiligungen ermöglichen über alle Ausprägungen hinweg eine gezielte Einflussnahme bei gleichzeitig moderatem Ressourceneinsatz.
- Kooperationen schaffen flexible Partnerschaften mit ausgewogenem Kosten-Nutzen-Verhältnis.
- Einzelverträge sind die einfachste Form der Vertikalisierung. Sie sind mit geringem Kostenaufwand verbunden, ermöglichen jedoch nur eine begrenzte Einflussnahme.
Wichtig: Tiefe und Komplexität der Vertikalisierung müssen zur strategischen Zielsetzung und den operativen Fähigkeiten – insbesondere der Ressourcenverfügbarkeit – des Unternehmens passen und daher individuell abgestimmt sein.

Der strukturierte Weg zur Vertikalisierung: Drei Phasen zum Erfolg
Vertikalisierungsprojekte sollten einem klar strukturierten Vorgehen folgen. Drei Phasen haben sich als Best Practice etabliert:

Phase 1: Identifikation
In der ersten Phase steht die systematische Erfassung potenzieller Vertikalisierungsfelder entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Fokus. Ziel ist es, relevante Themenfelder frühzeitig zu identifizieren, die strategisch zu einem höheren Wertschöpfungsgrad beitragen können.
Prozess:
Die Identifikation erfolgt durch ein internes Monitoring sowie durch die Durchführung eines gezielten Marktscreenings. Aufbauend darauf werden konkrete Investitionsziele formuliert und Prioritäten abgeleitet, die sich konsistent an der übergeordneten Unternehmensstrategie orientieren.
Ergebnisse:
- Strategische Passgenauigkeit: Ein erfolgreicher Abgleich mit der übergeordneten Unternehmensstrategie stellt sicher, dass Vertikalisierungsinitiativen im Einklang mit den langfristigen Zielen und dem Geschäftsmodell stehen (Strategie-Check).
- Fundierter Marktüberblick: Durch die Etablierung eines kontinuierlichen Marktmonitorings („Radar“) wird ein strukturierter Überblick über relevante Entwicklungen, Trends und Wettbewerbsaktivitäten gewonnen.
- Klar definierte Prioritäten: Auf Basis einer systematischen Bewertung werden konkrete Handlungsfelder identifiziert, priorisiert und sogenannte „Hotspots“ herausgearbeitet. Diese dienen als Grundlage für die weitere Entscheidungsfindung und Maßnahmenplanung.
Phase 2: Bewertung und Entscheidung
In dieser Phase erfolgt die detaillierte Analyse der zuvor identifizierten Handlungsfelder. Ziel ist es, jene Hotspots herauszufiltern, die sich besonders als Vertikalisierungsmaßnahmen eignen und einen hohen strategischen sowie wirtschaftlichen Nutzen versprechen.
Prozess:
Die strategische Bewertung erfolgt mithilfe eines standardisierten Bewertungsrasters, um eine objektive und nachvollziehbare Entscheidungsgrundlage zu gewährleisten. Dieses misst die Relevanz anhand fünf Dimensionen: Versorgungsknappheit, wirtschaftliche Sinnhaftigkeit, operative Betreuung, Innovationsdruck und Konkretisierung. Im nächsten Schritt werden mögliche Vertikalisierungsoptionen geprüft und Entscheidungen über konkrete Maßnahmen getroffen.

Ergebnisse:
- Handlungsoptionen mit klarer Priorisierung: Es werden konkrete Vertikalisierungsoptionen erarbeitet und nachvollziehbar priorisiert. Dies schafft Transparenz und unterstützt eine zielgerichtete Entscheidungsfindung.
- Fundierte Wirtschaftlichkeitsanalysen: Durch detaillierte Wirtschaftlichkeitsrechnungen wird die wirtschaftliche Tragfähigkeit einzelner Optionen überprüft und objektiv bewertet.
- Rechtliche Absicherung durch Standards: Zur Minimierung rechtlicher Risiken werden standardisierte Vertragswerke entwickelt, die eine rechtssichere Umsetzung vertikaler Integration ermöglichen.
- Strategische Dokumentation: Alle Vertikalisierungsentscheidungen wurden systematisch dokumentiert und bilden eine belastbare Grundlage für die anschließende Umsetzung und Steuerung der Maßnahmen.
Phase 3: Integration
In der letzten Phase werden die beschlossenen Vertikalisierungsmaßnahmen operativ umgesetzt. Im Vordergrund stehen die Sicherstellung von Synergieeffekten, der Effizienzsteigerung sowie die Maximierung des Wertbeitrags für das Unternehmen.
Prozess:
Die Integration erfolgt entlang eines strukturierten Projekt- und Maßnahmenplans. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die enge Verzahnung mit bestehenden Strukturen gelegt, um Reibungsverluste zu minimieren und einen nachhaltigen Umsetzungserfolg sicherzustellen.
Ergebnisse:
- Strukturierter Integrationsfahrplan: Für die operative Umsetzung wird ein klar definierter Fahrplan entwickelt, der zeitliche Abläufe, Meilensteine und konkrete Maßnahmen transparent darstellt. Dies gewährleistet eine koordinierte und effiziente Umsetzung der Vertikalisierungsstrategie.
- Messbare Vertikalisierungserfolge: Erste konkrete Effekte der Integration sowie realisierte Synergien werden erfasst und dokumentiert – sowohl im Hinblick auf Kostenoptimierung als auch auf Qualitäts- und Innovationsgewinne.
- Kontinuierliche Verbesserung durch „Lessons Learned“: Ein systematischer Rückblick auf den Umsetzungsprozess ermöglichte die Ableitung von Erfolgsfaktoren und Optimierungspotenzialen. Diese fließen in künftige Vertikalisierungsvorhaben ein und stärken die Lernkurve in der Organisation.
Erfolgsfaktor: Prozessverantwortung als Klammer
Ein zentraler Erfolgsfaktor für eine gelungene Vertikalisierung ist die Benennung eines dedizierten Prozessverantwortlichen, der die Gesamtsteuerung übernimmt. Diese Person koordiniert die bereichsübergreifende Abstimmung und sorgt dafür, dass alle relevanten Fachbereiche wirksam eingebunden sind. Nur so lassen sich Schnittstellen effizient managen und vertikale Strukturen nachhaltig etablieren.
Dabei unterstützt Horn & Company den Handel mit fundiertem fachlichem Input, strukturierten Bewertungsprozessen und langjähriger Erfahrung in Transformationsprojekten.
Fazit: Vertikalisierung als strategischen Hebel nutzen
Angesichts steigender Kosten, zunehmender Unsicherheiten in Lieferketten und wachsender Wettbewerbsintensität wird Vertikalisierung für Handelsunternehmen zur strategischen Notwendigkeit. Sie ermöglicht nicht nur eine stabilere Warenversorgung, höhere Marge und stärkere Verhandlungsposition, sondern fördert auch Innovation, Nachhaltigkeit und Transparenz. Dabei stehen Unternehmen eine Vielzahl an Umsetzungsoptionen zur Verfügung – von punktuellen Kooperationen bis hin zur vollständigen Integration.
Der Weg zur erfolgreichen Vertikalisierung erfordert jedoch ein strukturiertes Vorgehen in drei klar definierten Phasen: Identifikation relevanter Felder, fundierte Bewertung und Entscheidungsfindung sowie konsequente Integration. Zentrale Voraussetzung ist eine starke Prozessverantwortung, die alle Fachbereiche koordiniert und Synergien sichert.
Nutzen Sie Vertikalisierung als wirkungsvollen Hebel zur strategischen Weiterentwicklung Ihres Geschäftsmodells.
Wir bei Horn & Company begleiten Sie auf diesem Weg – von der fundierten Potenzialanalyse über die strukturierte Entscheidungsfindung bis hin zur erfolgreichen Umsetzung.
Sprechen Sie uns an – für Referenzen, praxisnahe Impulse oder den vertiefenden Austausch zu konkreten Fragestellungen.