Nachhaltigkeit – Die 4. Dimension des Schadendreiecks

VonFabian Schlicht,Dr. Christoph Hartl
Versicherungen, Point of View

Die Schadenbereiche der Versicherungen stehen im Spannungsfeld zwischen schneller Regulierung und Kundenzufriedenheit, aber auch wirtschaftlichem Druck und der Notwendigkeit zur Ressourcenschonung. Das Thema Nachhaltigkeit rückt immer stärker in den Fokus, da es als Bindeglied zwischen Kundenanspruch und volatiler Kostenlage fungieren kann. Zudem sorgt der Regulator mit neuen ESG-Anforderungen für Druck von außen – die traditionellen Glaubenssätze im „Schaden“ entwickeln sich weiter.

Nicht mehr nur „grüner Anstrich“

Nachhaltigkeit im Schaden ist längst mehr als Imagepflege oder die Fußnote im ESG-Bericht. Reparatur statt Ersatz, der Einsatz gebrauchter Ersatzteile oder die Nutzung eines nachhaltigkeitszertifizierten (Schaden-)Dienstleisternetzes werden zu strategischen Hebeln – wirtschaftlich sinnvoll, regulatorisch relevant und zunehmend auch aus Kundensicht ein Differenzierungsmerkmal. Gleichwohl ist die Umsetzung herausfordernd, denn sie erfordert einen Balanceakt zwischen Effizienz/ Risiko, Kundenzufriedenheit und den strukturellen Gegebenheiten im Partnernetzwerk.

Horn & Company
Horn & Company - Nachhaltigkeit als Teil des Schadendreiecks - die neue Dimension ergänzt das Dreieck zu einem integrierten Ansatz – mit dem Potenzial, Zielkonflikte aufzulösen oder neu auszubalancieren

Fünf Hebel für mehr Nachhaltigkeit im Schaden

Aus unserer Sicht kristallisieren sich fünf Handlungsfelder heraus, welche bereits mit verschiedenen Reifegraden allesamt im Markt zu beobachten sind:

  • Verhalten steuern und Prävention fördern – Anreize, Aufklärung und Bewusstseinsbildung – der nachhaltigste Schaden ist der, der gar nicht erst entsteht
  • Anpassung „tägliches Doing“ – Vollständig digitale Kommunikation und Archivierung (Reduktion Papierverbrauch), früherer Ruhemodus für PCs, nachhaltige Mobilität für MA etc.
  • Auswahl und Steuerung nachhaltiger Dienstleister – Zusammenarbeit nur mit solchen Dienstleistern, die definierte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen und zertifiziert sind
  • Reparatur statt Ersatz – Fokus auf Instandsetzung, Nutzung neuer Technologien zur erweiterten Wiederherstellung anstatt Neuteilbeschaffung
  • Kreislaufwirtschaft stärken – gezielter Einsatz von gebrauchten und aufbereiteten Ersatzteilen, beispielsweise aus Unfallfahrzeugen

Ferner werden sich dank des EU Data Act auch im Schaden neue Datenströme ergeben, mittels derer sich Prävention, Kundeninteraktion und operative Steuerung enger verzahnen lassen – Daten als „Enabler“ für ein intelligentes, übergreifendes und nachhaltiges Schadenmanagement. Vor allem im Kontext der Prävention zeigen sich Chancen, beispielsweise in der Kombination von Wetterdaten, Fahrzeug-/Telematikdaten und internen Schadendaten –lassen sich Schäden dann nicht nur effizient regulieren, sondern unter Umständen auch aktiv vermeiden.

Was jetzt zählt – zentrale Erfolgsfaktoren für Versicherer

  1. Nachhaltigkeit ist ein operativer Steuerungshebel 
    Es geht längst nicht nur um regulatorische Pflichten oder den „grünen Anstrich“, sondern um die Möglichkeit, Kosten zu senken, Prozesse zu verbessern und Kundenerwartungen zu erfüllen – entlang der gesamten Schadenwertschöpfungskette
  2. Kundenbewusstsein ist vorhanden – Umsetzung braucht Vertrauen
    Viele Kunden stehen gebrauchten Teilen und nachhaltigen Lösungen offen gegenüber – aber nur bei klarer Qualität, fairer Kommunikation und echtem, auch für sie spürbarem Mehrwert
  3. Kreislaufwirtschaft braucht aktive Steuerung
    Ohne Standards, Plattformintegration und koordinierte Partnersteuerung bleibt der Einsatz gebrauchter Teile ineffizient und wirkungslos – hier sollte der Markt als Einheit fungieren, um tragfähige Mengen an Kfz für die innerdeutsche Teileverwertung zu gewährleisten
  4. Digitalisierung und Prävention sind zentrale „Enabler“
    Telematik, KI und Data Analytics ermöglichen es, Schäden zu vermeiden oder ökologisch effizienter zu regulieren – und können dabei noch deutlich das Kundenerlebnis verbessern
  5. Standardisierung und faire Partnervergütung sind erfolgskritisch
    Werkstätten und Dienstleister müssen durch klare Qualitätsvorgaben und wirtschaftlich tragfähige Modelle eingebunden und motiviert werden, denn sie sind letztendlich die notwendigen Erfüllungsgehilfen

Vom Start zur Strategie – wie Nachhaltigkeit verankert werden kann

Ein erster Schritt ist die strukturierte Bestandsaufnahme: Wo steht das Unternehmen heute in Sachen Nachhaltigkeit im Schadenmanagement? Welche Initiativen existieren bereits – und wie wirksam oder ausgereift sind diese? Auf dieser Grundlage empfiehlt sich ein durchgängiger E2E-Blick entlang der gesamten Schadenwertschöpfungskette, um bestehende Lücken systematisch zu identifizieren, Zielbilder zu entwickeln und priorisierte Maßnahmenpakete abzuleiten.

Der Anspruch sollte dabei nicht bei punktuellen Einzelinitiativen oder symbolischer ESG-Konformität enden. Entscheidend ist die schrittweise Überführung vom „grünen Anstrich“ hin zu einer konsistenten, operativ verankerten Nachhaltigkeitsstrategie. Eine klar definierte Roadmap kann helfen, Komplexität zu reduzieren, Abhängigkeiten zu erkennen und Nachhaltigkeit wirksam mit bestehenden Transformationsprogrammen – etwa in Digitalisierung, Partnersteuerung oder Produktentwicklung – zu verzahnen.

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