Retailer erfolgreich neu aufstellen – aber bitte nicht nur durch Kostensenkung

VonJudith Kathol,Dr. Wolfgang Link
Retail & Consumer Goods, Artikel

Der Handel befindet sich im Umbruch. Verändertes Konsumverhalten, politische Unsicherheiten und die zunehmende Verlagerung zum Online-Handel fordern Retailer und vertikale Brands gleichermaßen heraus. Unternehmen, die heute erfolgreich bleiben oder es wieder werden wollen, müssen sowohl ihre Kostenbasis klar steuern als auch ihr Operating Model aktiv anpassen. Es reicht nicht, nur zu sparen – gefragt ist die gezielte Weiterentwicklung der händlerischen Parameter.

KOSTENSENKUNG ALS PFLICHT, ABER KEIN SELBSTZWECK

Ein striktes Kostenmanagement bildet die notwendige Grundlage, um in Krisenzeiten die Existenz- und Handlungsfähigkeit des Unternehmens zu sichern und gleichzeitig Spielräume für Investitionen und Innovationen zu schaffen:

  • Personalkosten Zentrale:
    Zentralbereiche tendieren dazu, im Laufe der Zeit ineffizient zu wachsen und zunehmend Stellen aufzubauen, oft ohne klaren Mehrwert. Durch die systematische Überprüfung der Stellen auf ihren Mehrwert für Filialen und Kunden, die Reduktion nicht-wertschöpfender Positionen sowie die Bündelung von Führungsverantwortung entlang von End-to-End-Prozessen lässt sich die Effizienz und Effektivität nachhaltig steigern.
  • Personalkosten Filiale:
    Eine intelligente Personaleinsatzplanung und die Optimierung des Mixes aus Vollzeit- und Teilzeitkräften verbessern die Produktivität. Automatisierung und Vereinfachung manueller Prozesse helfen, zusätzliche Effizienzpotenziale durch Zeiteinsparung und Fehlervermeidung zu heben.
  • Sachkosten:
    Strikte Ausgabendisziplin sowie die regelmäßige Überprüfung externer Verträge – etwa in Wartung oder IT – sichern die Kosteneffizienz. Erfolgreiche Händler setzen dabei auf zentrale Sachkostensteuerung. Ergänzend bewährt sich seither der Ansatz des Zero-Based Budgeting: Anstatt bestehende Budgets einfach fortzuschreiben, werden alle Kostenpositionen regelmäßig von Grund auf hinterfragt und müssen aktiv neu begründet werden. So entsteht eine nachhaltige Kostenkultur, die dauerhaft Effizienz sichert.
  • Optimierung des Filialnetzes:
    Die konsequente Schließung nachhaltig unprofitabler Standorte ist ein wichtiger Hebel, um die Profitabilität des Gesamtunternehmens zu steigern. Dabei geht es nicht nur darum, Verluste zu reduzieren, sondern auch darum, Managementkapazitäten, Investitionen und Marketingressourcen gezielt auf ertragsstarke Standorte zu konzentrieren. Parallel eröffnen sich Chancen, durch gezielte regionale Expansion oder die Anpassung bestehender Flächenkonzepte besser auf lokale Marktgegebenheiten zu reagieren. So kann das Filialnetz zu einem echten strategischen Wettbewerbsvorteil weiterentwickelt werden.

NEUAUSRICHTUNG HÄNDLERISCHER PARAMETER ALS KÜR

Erfolg kann nicht durch Sparen allein entstehen. Entscheidend ist es, das eigene Geschäftsmodell proaktiv weiterzuentwickeln, besser als der Wettbewerb auf Kundenbedürfnisse auszurichten und dabei an den zentralen Stellhebeln des Handels zu arbeiten, um die Attraktivität für den Kunden gezielt zu steigern.

  • Sortiment
    Die Gestaltung des Sortiments ist einer der zentralen Erfolgsfaktoren im Handel. Um lokale Marktbedingungen besser auszunutzen und gleichzeitig operative Effizienz sicherzustellen, empfiehlt sich der Einsatz filialspezifischer Sortimentsmodule. Durch einen modularen Aufbau kann flexibel auf lokale Wettbewerbsintensität, Kundenerwartungen und regionale Trends reagiert werden, ohne dabei die Komplexität im Gesamtsystem ausufern zu lassen.
    Darüber hinaus bietet die Stärkung des Eigenmarken-Sortiments eine doppelte Chance: Neben verbesserten Margen durch Wegfall von Markenaufschlägen entsteht die Möglichkeit zur Differenzierung gegenüber Wettbewerbern. Dabei ist entscheidend, dass Eigenmarken nicht nur als preisgünstige Alternativen wahrgenommen werden, sondern klar positioniert sind und einen echten Qualitätsanspruch verkörpern. Der Aufbau starker Eigenmarken benötigt jedoch Zeit und eine konsequente Markenstrategie.
  •  Preisgestaltung
    Ein klar strukturierter Pricing-Ansatz ist ein Steuerungsinstrument für Frequenz und Warenkorbgröße. Die Schärfung des Pricing-Ansatzes umfasst klare Regeln zur Handhabung unterschiedlicher Artikelgruppen: Key Value Items (KVI) zur Steuerung der Preiswahrnehmung, Basket Builder zur Förderung von Verbundkäufen, sowie eine differenzierte Preisstrategie für reguläre Auswahlartikel und Ergänzungsartikel. Basis für diese Arbeit ist eine systematische Bon-Analyse, die die tatsächlichen Einkaufsverhalten der Kunden (Bonhöhe, Frequenz, Verbundeffekte) berücksichtigt.
  •  Promotion und Marketing
    Im Rahmen einer Neuausrichtung gehört auch das Marketing auf den Prüfstand. Statt teurer Gießkannenkommunikation braucht es ein Umdenken hin zu klar performanceorientierten Ansätzen. Erfolgreiche Händler investieren gezielt in Maßnahmen, die ihren Beitrag zu Umsatz und Ertrag belegen können – und trennen sich von allem, was keine Wirkung entfaltet. Besonders digitale Kanäle bieten großes Potenzial, wenn sie konsequent datenbasiert gesteuert und kontinuierlich optimiert werden. Erfolgskontrolle ist dabei kein Nice-to-have mehr, sondern ein Muss.
  • Flächen- und Präsentationsmanagement
    Dass die Art der Produktpräsentation Kaufentscheidungen maßgeblich beeinflusst, ist längst bekannt – und doch scheitern viele Händler immer noch an der konsequenten Umsetzung, online wie offline. Optimierte Flächenkonzepte sorgen dafür, dass Kernsortimente optimal sichtbar sind, Promotions richtig inszeniert werden und der Kunde intuitiv durch das Angebot navigieren kann. Besonders wirksam sind datenbasierte Optimierungsansätze, die auf konkretem Kundenverhalten aufsetzen.
  • Verfügbarkeiten und Logistik
    Eine hohe Warenverfügbarkeit ohne Überbestände ist ein entscheidender Hebel für Umsatz und Kundenzufriedenheit. Händler müssen ihre Bestands- und Nachschubprozesse so ausrichten, dass sie flexibel auf Nachfrageänderungen reagieren können und gleichzeitig die Kapitalbindung gering bleibt. Digitale Tools und KI-basierte Prognosemodelle können dabei helfen, sowohl Effizienz als auch Reaktionsgeschwindigkeit deutlich zu verbessern.
  •  Kundenerlebnis und Service
    Gerade in Krisenzeiten wird ein tiefes Verständnis der Customer Journey zum Erfolgsfaktor. Wer die kritischen Kontaktpunkte und entscheidenden Interaktionsmomente kennt, an denen Kunden besonders sensibel reagieren, kann gezielt die Faktoren stärken, die für Loyalität und Kaufbereitschaft entscheidend sind. Es geht dabei weniger um Kosmetik im Ladenbau – sondern um relevante Services und eine passgenaue Ansprache entlang der Gesamtreise. Dieses Verständnis unterstützt auch eine wirksame (Omni-)Kanalstrategie und zeigt, wo und wie Händler stationäre Stärken und digitale Kontaktpunkte so verknüpfen können, damit ein konsistentes und kundenzentriertes Markenerlebnis entsteht.

FAZIT

Nachhaltiger Erfolg im Handel entsteht aus der richtigen Kombination: striktes Kostenmanagement und gezielte Stärkung der händlerischen Kernkompetenzen. Unternehmen, die beides konsequent angehen, schaffen sich belastbare Wettbewerbsvorteile – heute und in Zukunft.

Einen kleinen Einblick in erfolgreich umgesetzte Ansätze aus Kundenprojekten haben wir Ihnen hier zusammengestellt. Lassen Sie uns gemeinsam konkrete Erfolgswege erarbeiten – wir freuen uns darauf, Ihre Zukunft aktiv mitzugestalten.

Bereit, den nächsten Schritt zu gehen?

Ob erste Gedanken oder konkrete Pläne – wir hören zu, fragen nach und entwickeln gemeinsam weiter. In einem unverbindlichen Erstgespräch klären wir, wo Sie stehen und wie wir Sie unterstützen können.

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