
Immobiliensektor - Strategien für den Umbruch

Zinswende, sinkende Bewertungen und erschwerte Finanzierungen belasten den Immobiliensektor nachhaltig. Der Beitrag erläutert, welche strukturellen Ursachen hinter der aktuellen Lage stehen – und welche Maßnahmen zur Stabilisierung betroffener Unternehmen beitragen können.
Herausforderungen in einem veränderten Marktumfeld
Der deutsche Immobiliensektor befindet sich seit 2022 in einer anhaltenden Belastungssituation. Die deutlich gestiegenen Finanzierungskosten infolge der Zinswende treffen auf ein rückläufiges Transaktionsgeschehen und eine spürbare Korrektur der Immobilienbewertungen. Laut aktuellen Marktanalysen ist das Transaktionsvolumen für Gewerbeimmobilien in Deutschland gegenüber dem Höchststand 2021 um mehr als 70 % zurückgegangen. Infolge gesunkener Marktwerte sinken die Beleihungsgrenzen, wodurch Anschlussfinanzierungen erschwert werden.
Viele Unternehmen sind nicht durch Nachfrageeinbruch, sondern durch die veränderten Rahmenbedingungen auf der Finanzierungsseite unter Druck geraten.
Gleichzeitig belasten stark gestiegene Baukosten und anhaltende Verzögerungen in Projektabläufen die Liquidität vieler Unternehmen. In Kombination mit einer restriktiveren Kreditvergabe steigt der Druck auf Entwickler, Bestandshalter und Investoren erheblich. Der Refinanzierungsbedarf in Europa liegt laut AEW Research bis 2027 bei über 560 Mrd. € – ein Großteil dieser Kredite wurde in der Niedrigzinsphase abgeschlossen und muss nun zu geänderten Konditionen neu strukturiert werden.
Ursachen unternehmensinterner Krisendynamiken
Neben externen Faktoren entstehen häufig auch unternehmensinterne Belastungen. Dazu zählen insbesondere unvollständige Projektsteuerung, nicht aktualisierte Liquiditätsplanungen oder eine mangelhafte kaufmännische Bewertung des Baufortschritts. Fehlende Verknüpfungen zwischen Baufortschritt und betriebswirtschaftlicher Steuerung wirken oft als Krisenbeschleuniger.
In vielen Fällen war vorgesehen, laufende Projekte durch Objektverkäufe oder Refinanzierungen abzusichern. Durch die Marktsituation lassen sich jedoch geplante Veräußerungen häufig nicht oder nur mit erheblichen Abschlägen umsetzen. Gleichzeitig wirken zusätzliche Anforderungen im Bereich ESG als Kosten- und Investitionstreiber, insbesondere bei älteren Bestandsobjekten.
Restrukturierung als strukturierter Lösungsansatz
Vor diesem Hintergrund gewinnen strukturierte Restrukturierungsprozesse erheblich an Bedeutung. Sie ermöglichen es, operative Schwächen zu identifizieren, Liquiditätsrisiken zu steuern und Finanzierungslösungen auf eine belastbare Grundlage zu stellen. In der Praxis bewährt sich ein mehrstufiges Vorgehen: Zunächst erfolgt eine unabhängige Bewertung der Unternehmenslage durch ein Independent Business Review (IBR) miteiner präzisen Liquiditätsplanung. Diese dient als Grundlage für die Kommunikation mit Kapitalgebern, Finanzierern und Gesellschaftern.
Unternehmen, die mit einem klaren Restrukturierungsplan und validen Zahlen in die Gespräche mit Kapitalgebern gehen, sichern sich entscheidende Spielräume.
Parallel dazu empfiehlt sich der Aufbau eines leistungsfähigen Projektcontrollings, das Planabweichungen frühzeitig sichtbar macht und steuerbar hält. Die strukturierte Bewertung technischer, terminlicher und finanzieller Risiken ist dabei unerlässlich. Ergänzt um Maßnahmen zur Kosten- und Portfoliosteuerung kann ein tragfähiges Konzept zur Restrukturierung so zielgerichtet implementiert werden.
Erfahrungen aus der Praxis
In einem aktuellen Fallbeispiel konnte durch ein erweitertes Liquiditätsmodell und gezielte Bankverhandlungen eine Prolongation sowie eine Finanzierungserhöhung von 6,5 Mio. € erreicht werden. Ausgangspunkt war ein Projekt mit gemischter Nutzung (Hotel, Büro, Gewerbe) und deutlich gestiegenen Baukosten. In einem anderen Fall führte die Einführung eines durchgängigen Projektcontrollings bei einem Projektentwickler mit internationalem Portfolio zu einer stabilisierten Liquiditätslage und einer positiven Sanierungsaussage.
Diese Fälle zeigen: Auch in einem herausfordernden Marktumfeld ist Stabilität erreichbar – wenn professionell und vorausschauend gehandelt wird.
Fazit: Stärken analysieren & Spielräume nutzen
Die aktuelle Situation im Immobiliensektor erfordert differenzierte Analysen und gezieltes Handeln. Unternehmen, die frühzeitig ihre Strukturen hinterfragen, ihre Finanzierungskosten realistisch bewerten und operative Hebel identifizieren, verschaffen sich Stabilität und Zukunftssicherheit.
Restrukturierung ist nicht nur Reaktion auf Krisen – sondern ein aktiver Beitrag zur Neuausrichtung in einem veränderten Marktumfeld.