
Anforderungen an das operationelle Risiko unter der CRR III

Berechnung der Kapitalanforderungen unter den EBA RTS/ITS vom Juni 2025: Mit Inkrafttreten der Capital Requirements Regulation III (CRR III) zum 1. Januar 2025 wurde das regulatorische Rahmenwerk für operationelle Risiken (OpRisk) eine grundlegend reformiert. Die bisherigen drei Ansätze – Basisindikatoransatz (BIA), Standardansatz (SA) und fortgeschrittener Messansatz (AMA) – wurden durch einen einheitlichen Standardansatz (Standardised Measurement Approach [SMA]) ersetzt. Ziel der Reform ist es, die Kapitalberechnung zu vereinheitlichen, die Komplexität zu reduzieren und die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zwischen Instituten zu verbessern.
Am 14. Juni 2025 veröffentlichte die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) nun die finalen technischen Standards zur Umsetzung des SMA:
- RTS zur Definition und Berechnung des Business Indicator (Final Report on draft RTS specifying the Business Indicator mandates for operational risk, EBA/RTS/2025/02)
- ITS zur Berichterstattung operationeller Risiken (Final Report on draft ITS on supervisory reporting for operational risk, EBA/ITS/2025/06)
Diese Dokumente präzisieren die Berechnungslogik des BI und der darauf aufbauenden Kapitalanforderung (BIC), definieren den Prudential Boundary Approach und regeln die neue Berichtssystematik ab 2026.
Definition und Berechnung der Kapitalanforderungen
Kern des SMA ist der Business Indicator (BI), der als aggregierter Finanzindikator das operationelle Risiko eines Instituts abbilden soll. Der BI setzt sich aus den folgenden drei Komponenten zusammen:
- Interest, Leases and Dividends Component (ILDC): Erträge und Aufwendungen aus Zinsen, Leasing, sowie erhaltene Dividenden
- Service Component (SC): Provisionserträge, Gebührenerlöse
- Financial Component (FC): Summe der absoluten Werte der Nettoergebnisse aus Handelsbuch- und Bankbuchgeschäften
Die Eigenmittelanforderung für OpRisk wird ausschließlich über die Business Indicator Component (BIC) bestimmt. Diese ergibt sich aus der Anwendung progressiver Koeffizienten auf den BI über einen 3-Jahres Horizont. Eine separate Verlustkomponente, wie ursprünglich im Basel-Standard vorgesehen, wurde in der europäischen Umsetzung nicht übernommen. Es gilt daher: kein Internal Loss Multiplier (ILM), keine Loss Component – die BIC ist alleinige Bemessungsgrundlage für das erforderliche Eigenkapital.
Die Berechnung der Kapitalanforderungen aus operationellen Risiken ist damit weitestgehend unabhängig von einer tatsächlichen Risikobetrachtung. Im ICAAP-Ansatz bleiben die operationellen Risiken dennoch weiterhin wie bisher verankert, um die interne Risikobetrachtung und -steuerung sicherzustellen.
Pflicht zur Verlustdatensammlung
Unabhängig davon schreibt Artikel 316–321 CRR III für Institute mit einem BI über 750 MEUR vor, eine Schadensfalldatenbank für operationelle Risiken zu führen. Diese Verluste fließen nicht in die BIC ein, können jedoch im Rahmen der aufsichtlichen Überprüfung (SREP) eine Rolle spielen (vlg. EBA/CP/ 2024/ 13).
FINREP-Verzahnung und Datenherkunft
Zur Vereinfachung der Implementierung und Sicherstellung konsistenter Datenquellen sieht die EBA eine enge Verknüpfung zwischen dem Business Indicator und bestehenden FINREP-Berichtspositionen vor. In den finalen RTS vom Juni 2025 sind für jede der drei BI-Komponenten – ILDC, SC und FC – konkrete Referenzzeilen aus FINREP als primäre Datenquelle benannt.
Dies ermöglicht es Instituten, den BI direkt aus vorhandenen Meldepositionen herzuleiten, ohne zusätzliche manuelle Datensammlungen durchführen zu müssen. Gleichzeitig reduziert dies das Risiko von Inkonsistenzen zwischen der Kapitalberechnung und der Finanzberichterstattung.
Die EBA betont jedoch, dass abweichende Buchungssystematiken (z. B. bei nationalem GAAP oder Sonderkonstellationen) dokumentiert und plausibilisiert werden müssen, sofern sie von der FINREP-Struktur abweichen.
Im Durchschnitt höhere Eigenmittelanforderungen für OpRisk unter CRR III
Die Einführung des SMA wird nach Einschätzung verschiedener Stakeholder im Durchschnitt zu höheren Eigenmittelanforderungen für operationelle Risiken führen. Das gilt insbesondere für:
- mittlere bis große Institute, die bisher unter dem AMA oder SA bilanziert haben
- Institute mit geringer historischer Verlustlast, die unter CRR III keinen Kapitalvorteil mehr aus dem Ausbleiben von Schadensfällen erzielen können
- Institute mit margenstarkem Geschäftsmodell, z. B. Zahlungsverkehr, Handels- und Provisionsgeschäft (starker Service Component)
Nach Studien der Aufsicht und verschiedener großer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ist mit einem Anstieg der Kapitalanforderungen aus operationellen Risiken um 5% - 30% zu rechnen, abhängig vom Geschäftsmodell des Instituts.
Negativabgrenzung von BI-relevanten Positionen als Kapitaloptimierungspotenzial
Ein oft unterschätzter Hebel zur Optimierung der Kapitalanforderung liegt in der systematischen Negativabgrenzung von Ertrags- und Aufwandspositionen, die nicht in die BI-Komponenten einzubeziehen sind. Die EBA RTS vom Juni 2025 enthalten hierzu explizite Ausschlüsse, die in den Berechnungsprozessen sauber umgesetzt werden müssen.
Beispiele typischer Ausschlusstatbestände:
- Gewinne/Verluste aus immateriellen Vermögenswerten, z. B. aus dem Verkauf von Beteiligungen oder IP
- Erträge aus Versicherungsaktivitäten, sofern diese nicht zum aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis gehören
- Ungewöhnliche oder einmalige Posten, wie Umstrukturierungserträge, Rückstellungsauflösungen oder Sanierungsgewinne
- Intercompany-Effekte, die keinen Außenbezug haben (z. B. konzerninterne Verrechnungen)
Die konsequente Analyse dieser Positionen – idealerweise entlang einer „BI-relevant / nicht-relevant“-Matrix – bietet Instituten die Möglichkeit, ihren Business Indicator substanziell zu entlasten, ohne ihre wirtschaftliche Performance zu beeinflussen.
Viele Institute neigen in der Anfangsphase zur Übererfassung und schließen eher zu wenige als zu viele Positionen aus. Eine strukturierte Negativabgrenzung – verbunden mit einer klar dokumentierten BI-Policy – kann zu nachhaltig niedrigeren BIC-Werten und damit geringeren Kapitalanforderungen führen. H&C hilft Ihnen gerne dabei, die relevanten Positionen zu identifizieren und so die Kapitalbelastung durch den SMA möglichst zu reduzieren.
Vor- und Nachteile des Prudential Boundary Approach (PBA)
Ein zentrales Element zur Berechnung der Financial Component (FC) im Business Indicator ist die Wahl der Methodik zur Abgrenzung von Handels- und Bankbucherträgen. Die EBA erlaubt zwei Ansätze:
- den Accounting Approach (Default-Ansatz)
- den Prudential Boundary Approach (PBA) (Ausnahmeregelung)
Der Accounting Approach (Default-Ansatz)
Der Accounting Approach basiert auf der GuV gemäß Rechnungslegungsstandard (z. B. IFRS oder HGB). Er ordnet Erträge und Aufwendungen der FC entsprechend ihrer buchhalterischen Erfassung zu, ohne regulatorische Umqualifizierung.
Die EBA bevorzugt diesen Ansatz, da er auf bestehenden Daten aufsetzt und sich gut in bestehende Reporting-Systeme integrieren lässt.
Vorteile:
- Einfache Umsetzung: Nutzung vorhandener Buchhaltungs- und FINREP-Daten reduziert IT- und Implementierungsaufwand.
- Standardkonform: Kein Erfordernis zusätzlicher Abgrenzungen oder aufsichtsrechtlicher Anpassungen.
- Geringere Komplexität: Minimale Anforderungen an Governance und Konsistenz über Zeiträume.
Nachteile:
- Weniger risikosensitiv: Interne Hedging-Effekte werden nicht herausgerechnet, was zu überhöhten FC-Werten führen kann.
- Kapitalnachteile möglich: Keine Trennung zwischen wirtschaftlich neutralen und risikobehafteten Erträgen.
- Mögliche Inkonsistenzen bei Misch-GAAP-Strukturen: Internationale Gruppen können inhomogene BI-Ergebnisse erzeugen.
Der Prudential Boundary Approach (PBA)
Der PBA folgt der aufsichtsrechtlichen Buchgrenze zwischen Handels- und Bankbuch. Er erfordert die regulatorisch korrekte Abgrenzung und den Ausschluss von Effekten aus internen Hedging-Beziehungen.
Der PBA darf nur angewendet werden, wenn der Accounting Approach nicht sachgerecht ist – seine Anwendung ist aufsichtspflichtig zu begründen und über drei Jahre konsistent anzuwenden.
Vorteile:
- Höhere Risikosensitivität: Nur ökonomisch relevante Erträge werden einbezogen.
- Vermeidung künstlicher Kapitalanforderungen: Interne Kompensationen werden ausgeschlossen.
- Besser geeignet für komplexe Treasury-/Handelsbuchstrukturen.
Nachteile:
- Hoher Umsetzungsaufwand: Erfordert konsistente Abgrenzung und technische Trennung.
- Komplexe Governance: Regelmäßige Validierung und Nachweisführung gegenüber Aufsicht nötig.
- Nur als Ausnahme zugelassen: Die Default-Pflicht zum Accounting Approach bleibt bestehen.
Die EBA betont in den RTS deutlich, dass der Accounting Approach der Regelfall ist. Der PBA darf nur eingesetzt werden, wenn der Accounting Approach zu nicht sachgerechten Ergebnissen führt und die Anwendung des PBA technisch und organisatorisch zuverlässig sichergestellt ist.
Für Institute mit hoher BI-Volatilität, komplexen Treasury-Funktionen oder zentral gesteuerten Hedging-Strukturen kann der PBA – trotz des Mehraufwands – einen relevanten Kapitalvorteil bringen. Eine fundierte Entscheidung über die Methodik ist daher strategisch bedeutsam und sollte unter Einbeziehung von Risiko, Finanzen und Meldewesen abgestimmt erfolgen.
Überarbeitete Berichtsanforderungen
Die neuen ITS definieren darüber hinaus den aufsichtsrechtlichen Melderahmen für operationelle Risiken unter dem SMA. Er gilt erstmals zum Berichtsstichtag 31. März 2026 und beinhaltet:
- Neues Template für BI-Komponenten: Aufschlüsselung nach ILDC, SC, FC
- Verknüpfung mit FINREP-Daten: Sicherstellung konsistenter Datenbasis
- Validierungsregeln: Umfassende Plausibilitäts- und Strukturprüfungen
- Übergangsregelung: Bis September 2026 ist der Einsatz von Proxy-Werten zulässig
Die neuen Formate ermöglichen Aufsehern eine transparente Nachverfolgung der Kapitalanforderung und sollen mittelfristig Benchmarking im SREP-Kontext unterstützen.
Unterstützungsleistungen Horn & Company
Horn & Company verfügt über nachgewiesene Erfahrung in der Umsetzung aufsichtsrechtlicher Anforderungen bei Banken und Sparkassen und kann hier gezielt unterstützen – sei es bei der Analyse von Optimierungsmaßnahmen der Kapitalanforderungen, der Kosten/Nutzen-Bewertung des PBA oder einer holistischen Konzeption IT-Integration der OpRisk-Anforderungen unter der CRR III.
Mit einem strukturierten Projektansatz, regulatorischem Know-how und einem bewährten Vorgehen lässt sich nicht nur die aufsichtsrechtliche Erfüllung absichern, sondern auch ein nachhaltiger Mehrwert im Sinne der Einsparung regulatorischer Eigenmittelanforderungen schaffen.
Bereit, den nächsten Schritt zu gehen?
Ob erste Gedanken oder konkrete Pläne – wir hören zu, fragen nach und entwickeln gemeinsam weiter. In einem unverbindlichen Erstgespräch klären wir, wo Sie stehen und wie wir Sie unterstützen können.