
EPI/Wero – Strategische Perspektiven für Banken und Sparkassen

Die European Payments Initiative (EPI) ist auf dem Vormarsch – Banken und Acquirer haben die Möglichkeit, Scheme Member zu werden und Wero an der Kundenschnittstelle zu positionieren. Gleichzeitig ist Wero auch eine Konkurrenz für das hauseigene Debit- und Kreditkartengeschäft. Wir beleuchten die strategischen Perspektiven.
1. Europas Zahlungsverkehr im Umbruch – was ist und warum EPI?
Einige mögen sich noch an die Eurocard erinnern – Europas „eigene“ Kreditkarte, entstanden in Schweden und später getragen von einem europäischen Bankenkonsortium. 2002 wurde die Muttergesellschaft Europay International Teil von Mastercard, und die Marke Eurocard wurde integriert. Diese Entscheidung festigte die Abhängigkeit von internationalen Karten-Schemes (ICS) und dem EMV-Standard: Visa und Mastercard dominieren heute als Scheme für Issuer und Acquirer den Markt und sichern sich attraktive Erlöse sowie großen Einfluss auf den Zahlungsverkehr in Europa.
Perspektivisch werden sie sich mit ihren Produkten – etwa Visa Direct oder Mastercard Click-to-Pay – allerdings auch stärker an der Kundenschnittstelle positionieren. Parallel dazu dominieren Nicht-Banken, bspw. PayPal in Deutschland, den Markt digitaler Payments. Damit steigt das Risiko weiterer Disintermediation zwischen Issuer und Kunden, während gleichzeitig das Thema der Souveränität im Kontext globaler Dynamiken an Bedeutung gewinnt
Vor diesem Hintergrund wurde die European Payments Initiative 2020 von 16 europäischen Banken und 2 Acquirern ins Leben gerufen, mit dem Ziel, eine europäische, unabhängige Payment-Lösung zu schaffen. Die ursprüngliche, aber kostenintensive Idee, ein europäisches Karten-Scheme (wieder-) aufzubauen wurde durch eine Bezahllösungersetzt, welche Account-to-Account (A2A) Transaktionen auf Basis von SEPA Instant Payments (SCT Inst) nutzt. Neben einer proprietären Lösung als eigene App, können die Scheme Member das Produkt Wero ebenfalls in ihre Banken-App integrieren. Im ersten Schritt sind P2P-Payments zwischen Privatpersonen bzw. an Kleinsthändler (P2Pro) über die hinterlegte Telefonnummer oder E-Mail-Adresse des Wero-Benutzers möglich.
Die mittel- und langfristige Perspektive ist aber weit mehr – Wero wird um Consumer-to-Business (C2B) Zahlungen ergänzt, mit dem Ziel, eine „All-in-one“-Lösung für europäische Konsumenten und Händler zu schaffen und als vollwertige Payment-Alternative aufzutreten. Daher werden die Funktionen sukzessive erweitert: in Richtung Payments im Online-Handel ab 2025/26 (via QR-Code am Desktop bzw. App-Switch/Deep-Link am mobilen Endgerät) und Payments im stationären Handel ab 2026 (mit QR-Code oder via NFC Tap-to-Pay). Zudem plant EPI, Wero mit starken Zusatzfunktionen wie z. B. der Verwaltung wiederkehrender Zahlungen (etwa für Abos), Buy-Now-Pay-Later und der Integration von Händlertreueprogrammen zu versehen und es als integrierte Lösung in Gestalt einer digitalen Wallet zu positionieren – dies macht Wero zu einem strategisch hochrelevanten Thema für Banken und Sparkassen.
Die Nutzung von A2A-Rails ist nicht neu, sondern bereits in einigen Ländern Europas entlang nationaler Lösungen erfolgreich – beispielsweise in Belgien (Payconiq, seit 2023 Teil von EPI), in den Niederlanden (iDEAL, seit 2023 Teil von EPI), in Polen (BLIK), in Schweden (Swish), in der Schweiz (TWINT) oder in Spanien (Bizum). Zudem sind nationale A2A-Lösungen in Brasilien (Pix) und Indien (UPI) aus dem Konsumentenalltag nicht mehr wegzudenken. Die Gründe dafür liegen u.a. in den niedrigeren Kosten, in der Schnelligkeit (Echtzeitüberweisung), und in der oft einfacheren Zugänglichkeit im Vergleich zu Kreditkarten (v. a. in Wachstumsmärkten).
Der Anspruch von EPI ist es, flächendeckend in Europa verfügbar zu sein und damit – im Gegensatz zu nationalen Lösungen – von Economies of Scale hinsichtlich der Investitions- und Betriebskosten profitieren zu können. Parallel soll Interoperabilität mit nationalen A2A-Lösungen wie Bizum oder Swish ermöglicht werden, um das grenzübergreifende Geschäft abzudecken.
Wero ist heute bei diversen Banken in Belgien (wo es in Zukunft auch Payconiq ersetzen wird), Deutschland und Frankreich (wo es Paylib ersetzte) mit der P2P-Funktionalität am Markt. Im Jahr 2026 werden Luxemburg und die Niederlande (via Migration von iDEAL zu Wero) folgen. Weitere Länder sind in Gesprächen – bspw. prüfen die Banken in Österreich via der PSA Payment Services Austria eine mögliche Beteiligung.
Um in einem Markt erfolgreich zu sein, benötigt Wero nach eigenen Angaben eine Durchdringung von mehr als 80%, d. h. dass 80% der Konsumenten durch ihre Banken Wero bereitgestellt bekommen. Die Teilnahme an EPI ist grundsätzlich als einfaches Mitglied oder als Anteilseigner, mit Stimmrecht und Wertpartizipation, möglich, wobei Paybacks laut EPI ab 2030 geplant sind.
2. EPI und digitaler Euro (D€) – Ergänzung oder Redundanz?
Begriffe wie ‚Unabhängigkeit im Zahlungsverkehr‘ oder ‚(neue) europäische Zahlungslösung‘ wecken möglicherweise auch Assoziationen mit einem anderen europäischen Vorhaben: dem digitalen Euro, den die EZB im Jahr 2021 initiierte.
Beim digitalen Euro ist zwischen der Wholesale und der Retail Variante zu unterscheiden: Die Wholesale-Variante richtet sich in erster Linie an Banken und dient der Optimierung von Interbankenzahlungen sowie in weiterer Zukunft gegebenenfalls auch der Optimierung von Währungsraum-überschreitenden Transaktionen (Stichwort: Projekt Agorá der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, BIZ). Damit steht sie auch nicht in Konkurrenz zu den Anwendungsfällen von Wero.
Bei der Retail-Variante sollen Bürger digitales Zentralbankgeld nutzen können, um damit u.a. alltägliche Zahlungen im Handel oder untereinander durchführen zu können. Auch wenn sich der digitale Euro in seiner Natur als digitales Zentralbankgeld von der privatwirtschaftlich organisierten Bezahllösung Wero unterscheidet, überschneiden sich hierbei die Ziele und Anwendungsfälle zu einem gewissen Grad.
Grundsätzlich signalisierte EPI in der Vergangenheit, offen für eine Integration mit dem digitalen Euro zu sein und damit eine Kombination zu ermöglichen – möglich wäre z. B. dass Wero Überweisungen mit dem digitalen Euro in die eigene Wallet integriert. Damit könnte die Wero-Wallet eine bedeutende Rolle als Distributionskanal für den digitalen Euro einnehmen. Klarheit wird es aber erst geben, sobald der digitale Euro konkrete Gestalt anzunehmen beginnt. Derzeit gehen viele Beobachter davon aus, dass er in seiner Retail-Variante nicht vor 2028 umgesetzt wird.
3. Banken im strategischen Dilemma – Chance oder Risiko durch EPI?
Für Banken und Acquirer ist die Teilnahme an EPI kein Selbstläufer, sondern eine wichtige Entscheidung, die durchaus Zielkonflikte beinhaltet.
A2A-Transaktionen sind (meist) günstiger als kartenbasierte Payments und daher ist grundsätzlich mit geringeren Einnahmen im Vergleich zum Interchange zurechnen. Zwar sind die Interchange-Gebühren im Konsumentenbereich durch die EU gedeckelt, und es gibt auch Diskussionen auf Seiten des Regulators, diese weiter zu reduzieren, aber zumindest kurzfristig ist bei breiter A2A-Lösungsakzeptanz damit zu rechnen, dass ein Teil der Einnahmen wegfallen und nicht vollständig kompensiert werden kann. Zum teilweisen Wegfall der Interchange-Gebühren kommen auch die Kosten für Teilnahme, Anbindung und Betrieb von EPI/Wero.
Im Firmenkundengeschäft sind die Interchange-Gebühren (noch) nicht gedeckelt und daher nochmals attraktiver. Wero wird auf absehbare Zeit B2B nicht abdecken, d.h. für Firmen nicht als Alternative zu Firmenkreditkarten zur Verfügung stehen. In fernerer Zukunft könnte sich dies allerdings durchaus ändern.
Die aufgeführten Implikationen sind nicht zu unterschätzen, demgegenüber stehen jedoch mehrere gewichtige, unterstützende Argumente:
- Europäische Unabhängigkeit: EPI ist nicht nur eine weitere Bezahllösung, sondern auch ein europapolitisches Projekt. Banken sichern damit ihre Rolle und Stimme in einem europäischen System – statt sich noch stärker in Abhängigkeit von internationalen Konzernen zu begeben. Während frühere Fehlschläge ähnlicher Initiativen (z. B. das Monnet Projekt oder die europaweiten Ambitionen rund um PayFair) die Schwierigkeiten europaweiter Bestrebungen zeigen, so sensibilisiert die gegenwärtige geopolitische Lage auch nochmals für Risiken und Kosten von Abhängigkeiten
- Mitgestaltung: Bei internationalen Karten-Schemes sind Banken oft reine Preisnehmer, auch wenn gewisse Mitspracherechte existieren. Bei EPI können sie als Anteilseigner aber mitreden und mitgestalten – ein strategischer Vorteil, auch wenn die Governance mit den vielen Akteuren komplex ist und das erfolgreiche Navigieren der verschiedenen Interessen ein wichtiger Erfolgsfaktor für EPI sein wird
- Sicherung der Kundenschnittstelle: Durch die verstärkte kundenseitige Nutzung digitaler Wallets von Big Tech verlieren Banken zunehmend den direkten Zugang zum Kunden und riskieren, in Zukunft weiter ersetzt zu werden. Mit Wero – insbesondere, wenn die integrierte Version in der Bank-App genutzt wird – behalten sie die Kundenschnittstelle und damit auch die Möglichkeit, Kundendaten umfassender zu sammeln und zu nutzen. Dies ist für die immer wichtiger werdenden Mehrwertdienste (z.B. Loyalty, personalisierte Angebote, BNPL) zentral
- Zusätzliche Erlöse und Skaleneffekte: Kurzfristig bedeutet Wero Investitionen und Betriebskosten, mittelfristig können aber durch Skalierung und Standardisierung Kosten gesenkt und neue Erlöspotenziale durch Mehrwertdienste, die letztlich auch von Banken bereitgestellt werden, geschaffen werden
Eine berechtigte Frage ist auch, ob sich nationale/regionale Payment-Lösungen gegen die Wallet-Lösungen von Big Tech behaupten können – eine Sorge, die vor allem zu Beginn des Aufkommens der nationalen A2A-Lösungen geäußert wurde. Die Antwort auf Basis der Beobachtungen von bspw. BLIK, iDEAL, Swish oder TWINT fällt bisher tendenziell positiv aus. Allerdings: Banken haben zwar einen Vertrauensvorteil, dieser allein reicht aber nicht aus. Letztlich setzen sich kundenzentrierte und problemlösende Angebote durch.
Das Schweizer Beispiel TWINT, das von den lokalen Banken getragen wird, ist dabei ein spannender Fall: trotz nicht zu unterschätzender Kosten für die Händler ist es heute mit Abstand die meistgenutzte mobile Payment-Lösung in der Schweiz. Insbesondere auch, weil TWINT sich nach einem missglückten Start neu ausrichtete und sich konsequent an den Bedürfnissen der Nutzer orientiert.
Der Einsatzbereich von TWINT war zu Beginn noch beschränkt – z. B. auf P2P-Transaktionen oder selektive Payments am POS, z. B. bei Getränkeautomaten teilnehmender Banken. Demgegenüber ist es heute am stationären POS und im Online-Handel in der Schweiz nicht mehr wegzudenken: laut Swiss Payment Monitor 2025 sind mobile Zahlungen das meistgenützte Bezahlverfahren mit 31,3% Anteil an allen Transaktionen in der Erhebung, wovon wiederum 62,0% auf TWINT entfallen, gefolgt von Apple Pay mit 15,4%. Gleichzeitig ist das Bezahlverfahren für den Händler nicht massiv günstiger als Kreditkartenzahlungen: Die Händlergebühren für TWINT liegen laut einer Auswertung der Universität St. Gallen1 zwischen 1,25% und 1,70% und damit nahezu auf dem Niveau der Kreditkartengebühren derselben Acquirer (1,35%–1,70%).
Eine Kombination mehrerer Faktoren ist aus unserer Sicht für den Erfolg von TWINT verantwortlich:
- Früher Marktstart und Kundenzentrierung: TWINT war grundsätzlich vor den Big Tech Wallets verfügbar und musste daher nicht bestehende Wallet-Nutzer überzeugen; allerdings bedurfte es auch des strategischen „Resets“, um in der Folge durch konsequente Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen zu überzeugen
- Breite Unterstützung: TWINT wird von einer breiten Allianz führender Banken getragen; zudem gaben u.a. die UBS, die ZKB und die SIX die eigene Lösung „Paymit“ zu Gunsten der einheitlichen Lösung TWINT auf
- Überzeugende UX: TWINT überzeugt mit Einfachheit und Übersichtlichkeit (hoher „Perceived Ease of Use“)
- Einbettung weiterer Angebote: TWINT bietet ein breites Angebot an Zusatzfunktionen, das von Konsumenten stark genutzt wird. Darunter fällt z. B. die Hinterlegung von Kundenkarten, digitale Gutscheine, oder „Später bezahlen“
Aus unserer Sicht zeigen die erfolgreichen Beispiele wie TWINT auch, dass der Aufbau einer skalierbaren Bezahllösung nur der erste Schritt ist und der nachhaltige Wert vor allem in der Etablierung eines darauf aufbauenden Ökosystems an (margenträchtigen) Mehrwertdiensten liegt.
Fazit
Wero kann für Banken und Sparkassen auf kurze bis mittlere Frist zusätzliche Kosten und geringere Erträge im Vergleich zum Kartengeschäft bedeuten. Allerdings sollte man Payments nicht nur als kurzfristigen Business Case, sondern als langfristige Investition in die Kundenschnittstelle und -bindung betrachten. Insbesondere die Bereitstellung einer digitalen Wallet könnte auch vor dem Hintergrund des digitalen Euros von großer Wichtigkeit für Banken und Sparkassen sein, um die Kundenschnittstelle abzusichern.
Die Alternative scheint aus unserer Sicht zudem riskanter: das Risiko der Disintermediation durch Big Tech und nachhaltige Abhängigkeit von internationalen Karten-Schemes. Zudem besteht in diesem Fall das Risiko, Marktanteile an alternative Anbieter von A2A-Bezahlverfahren (z. B. auf Basis von Open Banking) zu verlieren an denen die Banken ggf. nicht nur nicht partizipieren, sondern zudem zum Selbstkostenpreis die Infrastruktur bereitstellen müssen.
In diesem Licht betrachtet stellt Wero weniger eine Bedrohung für heutige Erträge der Banken als vielmehr eine strategische Investition in zukünftige, neue Ertragsquellen dar. Allerdings ist der Erfolg von Wero alles andere als in Stein gemeißelt: kritisch dafür wird sein, dass EPI liefert, was es verspricht, dass Banken und Konsumenten von der Lösung überzeugt werden können und damit die kritische Marktdurchdringung erreicht wird, und dass die komplexe Governance gemeistert wird bzw. die verschiedenen Anteilseigner schlussendlich an einem Strang ziehen.
Haben Sie Fragen zu den Implikationen von EPI oder zu aktuellen Herausforderungen im Issuing und Acquiring? Unsere Experten im Competence Center Payments bei Horn & Company stehen Ihnen für vertiefende Diskussionen gerne zur Verfügung.
1Vgl. https://www.twint.ch/geschaeftskunden/twint-gebuehren/, abgerufen am 15.09.2025